Teil 4: Wohnraumversorgung - Das Prinzip „Lego“: Rezyklierbarkeit und Kreislaufwirtschaft
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Wohnraumversorgung
- Teil 1: Wohnraumversorgung – Hintergründe und Zusammenhänge
- Teil 2: Wohnraumversorgung - Klimaverträgliches Bauen
- Teil 3: Wohnraumversorgung - Was können natürliche Baustoffe bewirken?
- Teil 4: Wohnraumversorgung - Das Prinzip „Lego“: Rezyklierbarkeit und Kreislaufwirtschaft
- Teil 5: Wohnraumversorgung - Wohnfläche und Suffizienz – Wie viel ist genug?
- Teil 6: Wohnraumversorgung - Wo Märkte sinnvoll sind (und wo nicht)
- Teil 7: Wohnraumversorgung - Wohnungspolitische Instrumente und Eigentumsverhältnisse in Deutschland
- Teil 8: Wohnraumversorgung - Warum wir einen umfassenden kulturellen Wandel benötigen
- Teil 9: Wohnraumversorgung - Warum Wohnraum immer auch emotional ist
- Teil 10: Wohnraumversorgung - Unser „Neschtle“ oder die Transformation im Tun
Wie wäre es, wenn wir anstatt ständig neue Baustoffe herzustellen mit dem Material bauen, was bereits vorhanden ist? Einfache Antwort: Das wäre super! Die Gefahr der Übernutzung natürlicher Rohstoffe, z.B. Holz, würde verringert und die Emissionen, welche bei der Herstellung neuer Baumaterialien entstehen, vermieden.
Warum Gebäude (noch) nicht wie Lego funktionieren
Anders als beim Lego die Farben können viele Baustoffe nicht sortenrein getrennt werden, was eine Wiederverwendung schwierig macht. So eignet sich der Bauschutt aus abgerissenen Gebäuden leider daher meist nur als Schotter für den Tiefbau, obwohl es eigentlich hochwertige Rohstoffe sind. Wurden in dem Gebäude giftige Materialien (wie z.B. Asbest) verbaut, ist selbst das nicht möglich und das ganze Gebäude entspricht einem großen Haufen Sondermüll. Damit aus alten Gebäuden tatsächlich neue entstehen können, müssten Gebäude konsequent sortenrein und trennbar gebaut werden. Im Prinzip also wie ein Lego-Haus.
Wie gelingt mehr Wiederverwendbarkeit im Bauwesen?
Auch wenn der Großteil der heutigen Gebäude noch völlig anderes entsteht, gibt es immer mehr Akteure in der Bauwirtschaft, die sich dem Thema Wiederverwendung, im Fachjargon „Rezyklierbarkeit“, annehmen.
Ein Ansatz stammt von Prof. Florian Nagler. Unter dem Schlagwort „einfach bauen“ erstellte er in Bad Aibling drei Forschungshäuser, welche aus so wenig verschiedenen Materialien wie möglich bestehen1. Hierdurch wird die Komplexität im Bau und während der Nutzung verringert. Gleichzeitig steigt die Rezyklierbarkeit der Gebäude, da die verwendeten Materialien überschaubar und verhältnismäßig einfach voneinander zu trennen sind.
Gibt es Häuser, die schon aus Recycling-Stoffen gebaut sind?
Bereits im Sommer 2022 haben wir zwei Wohngebäude in Kopenhagen vorgestellt, welche beim Thema Recycling im Bauwesen vorangehen. Die Architekten des Büros „Lendager“ verwendeten in den Gebäuden „Resource Rows“ und „Upcycle Studios“ so viel bestehende Baustoffe wie möglich. Die Fassade der Ressource Rows bestehen z.B. aus wiederverwendeten Ziegeln einer alten Brauerei. Das Problem der mangelnden Trennbarkeit wurde hier auf pfiffige Weise gelöst. Da die Ziegelsteine nicht vom Mörtel zu trennen sind, wurden für die neue Fassade einfach ganze Wandelemente herausgesägt. Entstanden ist so ein modernes Design mit alten Materialien.
Für die „Upcycle Studios“ wurde überschüssiger Beton vom Bau der Metro und aussortiertes Holz eines Parkettherstellers verwendet. Die beiden Gebäude zeigen wie viel Potential in der Wiederverwendung von Baumaterialien steckt: Für alle analysierten Materialien gelang durch die Wiederverwendung eine signifikante CO2-Einsparung. Gleichzeitig verdeutlichen die Gebäude aber auch, wie viel für eine kreislauffähige Bauwirtschaft noch zu tun ist: Bei allen Materialien war die Wiederverwendung teurer als der Einsatz neuer Materialien. Dies liegt daran, dass oft mehr Handarbeit notwendig ist, aufgrund geringerer Mengen weniger Skaleneffekte ausgenutzt werden können und noch keine Standardisierung erfolgt ist.
Zurück zur Lego-Idee:
Einer der spannendsten Ansätze im Bereich des kreislauffähigen Bauens findet fast direkt vor unserer Haustür statt. Die Stuttgarter Firma Triqbriq hat Holzbausteine entwickelt, welche aus industriellem Abfallholz hergestellt werden und ohne künstliche Verbindungsstoffe auskommen. Auch auf der Baustelle findet kein Verkleben oder Verputzen statt. Die Bausteine werden „einfach“ zusammengesteckt und mit Hilfe von Holzdübeln fixiert.2 In dieser „Lego-Bauweise“ entsteht gerade ein mehrstöckiges Wohnhaus in Frankfurt!
Um die fatale Klimawirkung der Bauwirtschaft zu verringern, müssen wir also mehr ökologische Baustoffe verwenden, diese effizient einsetzen (insbesondere Holz!), bereits vorhandene Materialien wiederverwenden und Häuser so planen, dass eine Wiederverwendung in Zukunft einfach wird. Doch müssen wir überhaupt bauen? Haben wir nicht eigentlich schon genug Gebäude? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in Teil 5 unserer Serie.
Zu diesem Teil passt auch die Idee der "Wald-Bau-Pumpe" von Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber. Mehr dazu findet ihr in unserem Veranstaltungsbericht des Vortrags von Prof. Schellnhuber in Tübingen