Teil 7: Wohnraumversorgung - Wohnungspolitische Instrumente und Eigentumsverhältnisse in Deutschland
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Wohnraumversorgung
- Teil 1: Wohnraumversorgung – Hintergründe und Zusammenhänge
- Teil 2: Wohnraumversorgung - Klimaverträgliches Bauen
- Teil 3: Wohnraumversorgung - Was können natürliche Baustoffe bewirken?
- Teil 4: Wohnraumversorgung - Das Prinzip „Lego“: Rezyklierbarkeit und Kreislaufwirtschaft
- Teil 5: Wohnraumversorgung - Wohnfläche und Suffizienz – Wie viel ist genug?
- Teil 6: Wohnraumversorgung - Wo Märkte sinnvoll sind (und wo nicht)
- Teil 7: Wohnraumversorgung - Wohnungspolitische Instrumente und Eigentumsverhältnisse in Deutschland
- Teil 8: Wohnraumversorgung - Warum wir einen umfassenden kulturellen Wandel benötigen
- Teil 9: Wohnraumversorgung - Warum Wohnraum immer auch emotional ist
- Teil 10: Wohnraumversorgung - Unser „Neschtle“ oder die Transformation im Tun
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war die neu eingeführte Wohngemeinnützigkeit ein voller Erfolg. So stellten gemeinnützige Unternehmen 3,4 Mio. neue Wohnungen bereit. In den 1980er Jahren kam es dann in einzelnen Städten sogar zu einem Überschuss an Sozialwohnungen. Im Zuge der Privatisierungswelle und dem Skandal um die „Neue Heimat“1 wurde 1989 die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft.
Der „Mietwohnungsmarkt“ heute
Seit den 90er Jahren öffnete sich der deutsche Wohnungsmarkt immer weiter für die Logik der Finanzmärkte und es sind im Immobiliensektor andere Akteurs-Strukturen entstanden. Die Folgen, nämlich dass Immobilien zunehmend als Geldanlage betrachtet werden, spürt der Mietwohnungs-Sektor von Jahr zu Jahr mehr, da Finanzierung und Refinanzierung auf Kosten der Mietenden ausgetragen werden2.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum heutzutage erschwert, ist die Privatisierungswelle in den 1990er Jahren. Mit ihr wurden große Teile des kommunalen Wohnungsbestandes veräußert. Instrumente wie Erbpacht oder Vorkaufsrecht der Städte sind heute dringend erwünscht, scheitern aber an den klammen Geldmitteln der Kommunen. Um mit diesen Instrumenten zu bezahlbarem Mietwohnraum zu gelangen, benötigen die Kommunen einen langen Atem.
Alle 12 Minuten fällt eine Sozialwohnung aus der Bindung
Seit der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit, also ab 1990 gibt es immer weniger Sozialwohnungen und das Schwinden setzt sich fort: Sozialwohnungen sind nur zeitlich begrenzt preisgebunden und nach Auslaufen der Frist gibt es keine Vorgaben zur Höhe der Miete mehr3. Aus diesem Grund hat die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag die zeitnahe Umsetzung einer "Neuen Wohngemeinnützigkeit" mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen für den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums verbindlich vorgesehen.
Zu sehen ist eineinhalb Jahre später leider noch nichts. Die federführenden Ministerien Bauen und Finanzen konnten sich bisher nicht auf gemeinsame Eckpunkte einigen. Mittel für eine neue Wohngemeinnützigkeit sind auch in der Finanzplanung für 2025 nicht eingeplant, sodass das wichtigste wohnungspolitische Vorhaben der Ampel zu versanden droht. Dabei könnte die Wohngemeinnützigkeit eine große Chance sein, um den Wohnungsmarkt zu entspannen und eine dauerhafte Bindung gewährleisten.
Mietwohnland Deutschland
Den steigenden Bauzinsen geschuldet können sich immer weniger Menschen Wohneigentum leisten. Diejenigen, die sich kein Eigentum mehr leisten können, setzen den Mietwohnungsmarkt weiter unter Druck und generieren mehr Nachfrage, so dass die Mieten weiter steigen. Eine Situation, die jetzt schon dramatische Folgen für Wohnungssuchende hat und uns mit Besorgnis in die Zukunft blicken lässt. Warum die Wohnungsfrage sozial außer Kontrolle geraten könnte und zu noch mehr Ungleichheit führen könnte, ist auch auf das „Mietwohnland“ Deutschland zurückzuführen.
In Deutschland ist die Wohneigentumsquote innerhalb der OECD – Staaten am zweitniedrigsten. Mit 49,5% bildet die BRD mit der Schweiz (42,3%) das Schlusslicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Wohnungspolitik, die hierzulande Anreize für das Mieten schafft. Wir haben im EU-Vergleich beispielsweise eine hohe Grunderwerbsteuer und keine steuerliche Abzugsmöglichkeit von Hypothekenzinsen für Eigennutzer. In der Theorie hieß das lange Zeit, dass Mieten, sofern verfügbar, eine kostengünstige Alternative zum Wohnungseigentum war. Was aber tun, wenn die Praxis seit Jahren anders aussieht?
Die Politik und wir als Gesellschaft müssen Verantwortung für die Missstände in der Wohnungspolitik übernehmen. Wollen wir eine höhere Eigenheimquote, um eine größere Vermögensungleichheit zu bekämpfen oder setzen wir uns zusammen für mehr bezahlbaren Mietwohnraum ein? Die politische Brisanz der massenhaften Unzufriedenheit speziell mit der Wohnungspolitik wird hierzulande noch völlig unterschätzt. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung und die Gesellschaft das Thema ernsthafter adressieren und Lösungen finden.
Exkurs: Vermögensverteilung in Deutschland
Die reichsten zehn Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über beinahe 60 Prozent des gesamten Nettohaushaltsvermögens. Dieser Wert liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 50 Prozent. Im internationalen Vergleich ist Vermögen somit in Deutschland besonders ungleich verteilt. Ein Grund dafür ist laut DIW auch die geringe Eigentumsquote bei Wohnungen. Mit 49,5% bildet die BRD mit der Schweiz (42,3%) das Schlusslicht. Immobilien sind mit rund zwei Dritteln die wichtigste Vermögensposition der privaten Haushalte. Gleichzeitig ist die Belastung vieler Haushalte durch Mietzahlungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen und vor allem der Wohnungsmarktzugang der untersten Einkommensschichten durch einen immer kleiner werdenden Sozialwohnungsbestand erschwert. Für diese Haushalte ist es doppelt schwer, Ersparnisse (geschweige denn Immobilienvermögen) aufzubauen.45
Fußnoten
- Hintergründe zum Skandal um die "Neue Heimat" zurück nach oben
- Rendite mit der Miete - eine Studie von Finanzwende Recherche (November 2023) zurück nach oben
- Der Deutsche Gewerkschafterbund zur Krise der Sozialwohnungen zurück nach oben
- Hans Böckler Stiftung zur Vermögensverteilung in Deutschland zurück nach oben
- DIW: Immobilien als Schwelle und Schlüssel zu Privatvermögen zurück nach oben