Recycling im Bauwesen – Zwei Wohngebäude in Kopenhagen gehen voran
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Andere Länder, andere Bauprojekte: Unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Markus Buckenmayer berichtet hier von zwei Gebäudekomplexen, die zum Großteil mit Recycling-Materialien realisiert wurden.
Monatliche Preissteigerungen, Materialknappheit und Planungsunsicherheit dominieren seit gut einem halben Jahr die Baubranche. Diese Entwicklungen gehen natürlich auch an der nestbau AG nicht spurlos vorbei. Die steigenden Preise machen es immer schwieriger, den Anspruch von bezahlbaren Mieten mit den Baukosten zu vereinbaren. Zudem ist es schwierig bis fast unmöglich ein Projekt voranzutreiben, wenn die beteiligten Baufirmen keine festen Preiszusagen mehr machen wollen oder können.
Da der konventionelle Hausbau aus Beton und Stahl deutlich energieintensiver ist als der Holzbau und zudem weniger Material aus Übersee benötigt wird, sind die Preissteigerungen im Holzbau deutlich geringer. Es zahlt sich daher aus, dass die nestbau AG bereits seit knapp 2 Jahren die Möglichkeit eines Holzbaus verfolgt hat und mit möglichen Partnern in Kontakt steht. War der Holzbau bislang gut 10-15 % teurer als ein Stahl-Beton-Gebäude, ist dieser nun nicht nur ökologisch deutlich überlegen, sondern auch ökonomisch wettbewerbsfähig. Allerdings sind die Preise für beide Varianten auf einem spürbar höheren Niveau als noch vor zwei Jahren, was die Mietwirtschaft vor große Herausforderungen stellt. Die nestbau AG muss daher weiterhin aktiv nach nachhaltigen und bezahlbaren Alternativen Ausschau halten.
Seit Ende Januar befinde ich mich für ein Auslandsemester in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. In einem Kurs zu Architektur und Stadtplanung ist mir eine solche Alternative präsentiert worden: Nur 10 Gehminuten von meinem Studierendenwohnheim entfernt, im neu errichteten Stadtteil Orestad, befinden sich zwei spannende Wohngebäude der Archiektengruppe Lendager, welche zum Teil mit recycelten Baustoffen errichtet wurden.
Resource Rows – Upcycling trifft Design
Das Projekt „Resource Rows“ besteht aus insgesamt 82 Wohneinheiten mit gut 9.000 m² Fläche. Die Fassade des Gebäudes besteht aus Ziegelsteinen einer alten Brauerei, das Holz für die Dachterrasse und die dortigen „Gartenhäuser“ stammt aus aussortiertem Holz zweier Holzbaufirmen sowie vom Bau der Kopenhagener Metro. Die Brücke über den Innenhof ist ebenfalls wiederverwendet. Sie kommt von einer abgerissenen Firma aus der direkten Umgebung. Bezogen auf einen Zeitraum von 50 Jahren gelang den Architekten nach eigener Analyse eine CO2-Reduktion von 29 % im Vergleich zu einem gleichwertigen Gebäude mit ausschließlich neu gefertigten Baumaterialien, und dies obwohl nur gut 10 % des Materials aus recycelten Baustoffen stammt. Zudem konnten durch das Projekt 463 Tonnen Müll vermieden werden.
Insbesondere die Fassade des Gebäudes zeigt, dass Nachhaltigkeit und Design kein Widerspruch sein müssen. Da der Mörtel zwischen den Ziegelsteinen häufig härter ist als die Ziegel selbst, ist ein Recycling einzelner Ziegel kaum möglich. Für das Projekt wurden daher ganze Wandelemente von jeweils 1 m² aus der alten Carlsberg-Brauerei ausgesägt und anschließend in die Fassade des Gebäudes eingesetzt. Das Resultat ist ein markantes Design aus Tradition und Moderne.
Upcycle Studios – Nachhaltigkeit auf höchstem Level
Nur zwei Straßen weiter befindet sich ein weiteres Projekt von Lendager. Die „Upcycle Studios“ sind ein Art Reihenhaussiedlung mit 20 Wohneinheiten und gut 3.400 m² Fläche. Für dieses Projekt stammen fast ⅔ des Materials aus recycelten Baustoffen. Der Beton kommt von Resten, welche beim Bau der Kopenhagener Metro übrigblieben. Das Holz für Fassade, Fußböden und die Wandverkleidungen im Innenraum stammen aus aussortiertem Holz von einem Parketthersteller. Die Fenster kommen von einem Wohnungsunternehmen aus der dänischen Stadt Aalborg. Insgesamt gelang es beim Bau der Upcycle Studios durch die Wiederverwendung der Materialien 914 Tonnen Müll zu vermeiden und bezogen auf eine Lebensdauer von 50 Jahren 45 % CO2 einzusparen.
Die Analyse: geht Nachhaltigkeit auch bezahlbar?
Spannend ist, dass die Architekten eine umfassende Analyse der beiden Gebäude veröffentlicht haben, welche sowohl die Umweltauswirkungen als auch die Kosten bis auf Materialebene dokumentiert. Es zeigt sich, dass das Recycling in allen Fällen zu CO2-Einsparungen geführt hat, diese jedoch stark unterschiedlich ausfallen. So konnte bei den Fenstern eine Einsparung von 87 % CO2-Äquivalenten erreicht werden. Bei den Holzelementen gelangen zwischen 44 % Einsparung für die Terrassen und 82 % Einsparung für die Holzfassade der Upcycle Studios. Die Ziegelwand der Resource Rows erreichte eine Einsparung von 38 %. Die geringste Einsparung gelang bei den Betonelementen mit „nur“ 5-8 % CO2-Reduktion. Beton ist jedoch der weltweit mit Abstand am meisten verwendete Baustoff, weshalb in diesem Bereich auch relativ geringe Einsparungen große Auswirkungen haben können.
Preislich gelang es leider noch nicht mit den Vergleichsprodukten mitzuhalten. Insbesondere die Ziegelfassade der Resource Rows und der Recycling-Beton waren deutlich teurer. Die Architekten sehen bei beiden jedoch großes Optimierungspotential. So wurde die Ziegelfassade durch eine dünne Betonschicht stabilisiert, welche verringert werden oder ggf. ganz ersetzt werden könnte.
Der Preis der Betonwände lag vor allem aufgrund der geringen Menge deutlich höher als das Vergleichsprodukt. Hier gilt es nach Möglichkeiten zu suchen, Skalierungseffekte auch für Recyclingbeton nutzbar zu machen.
Bei den Fenstern sieht es vielversprechender aus: Die Fensterfronten der Upcycle Studios waren nur geringfügig teurer als das Vergleichsprodukt, und dies trotz umfassender Handarbeit auf der Baustelle und insgesamt „nur“ 50 % wiederverwendeten Scheiben. Wird dieser Anteil auf 70 % erhöht, sowie das Einpassen der Scheiben in die Rahmen von der Baustelle in die Firma verlegt, könnten die Fensterfronten mit wiederverwendeten Scheiben sogar deutlich günstiger werden als das Vergleichsprodukt.
Für die Holzelemente wurde leider keine genaue Kostenanalyse veröffentlicht. In einer Übersichtsbewertung der einzelnen Baustoffe geben die Architekten wiederverwendeten Holzelementen in der Kategorie Wirtschaftlichkeit vier von fünf Punkten, was deren Erschwinglichkeit vermuten lässt.
Fazit
Der Blick auf die beiden Projekte in Dänemark zeigt, dass in recycelten Baustoffen einiges an Potential für Nachhaltigkeit steckt. Sie stellen eine Möglichkeit dar, sowohl die Treibhausgase eines Gebäudes zu verringern als auch große Mengen Müll zu vermeiden. Dies gilt nicht nur für die konventionelle Stahl-Beton-Bauweise, sondern auch für den Holzbau. Leider steckt das Bauen mit recycelten Baustoffen noch in den Kinderschuhen und ist daher oft teurer als die Verwendung konventioneller Baustoffe. Gleichzeitig gibt dies auch Hoffnung auf noch nicht genutzte Einsparpotentiale durch Skalierungseffekte, Erfahrungswerte und Standardisierung.
Vielleicht kann die gegenwärtige Materialkrise hier als Beschleuniger wirken und mehr Akteure zu Bemühungen im Bereich von Recycling-Baustoffen bewegen. Auch wenn viele sich längst daran gewöhnt haben, ist es doch letztlich ein Paradox, dass neue Materialien oft günstiger sind als das Wiederverwenden oder Reparieren von bestehenden. Wir werden daher die Entwicklungen im Bereich Recycling und Wiederverwendung von Baustoffen mit Spannung weiterverfolgen.
Quellen
Englisch:
- Resource Rows bei Lendager
- Upcycle Studios bei Lendager
- Resource Rows bei NREP (Baufirma)
- Upcycle Studios bei NRWP (Baufirma)
- detaillierter Analysebericht