Wohnungsgipfel 2023
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Die Bundesregierung hat im Zuge des sog. „Wohnungsgipfels“ einen 14-Punkte-Plan veröffentlicht. Die Maßnahmen für sozial orientierte Wohnungsunternehmen bleiben dabei leider äußerst dürftig. Bezahlbarer Mietwohnraum wird durch das Paket wohl nur wenig entstehen. Auch der Umwelt- und Klimaschutz spielt kaum eine Rolle.
Bezeichnend ist bereits die Überschrift auf der Seite des Bundesbauministeriums: Dort wird von „Maßnahmen der Bundesregierung für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft“ gesprochen. Dies zeigt bereits, dass das Paket mindestens so sehr zur Stützung der Bauwirtschaft, wie zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum verabschiedet wurde. Beim Blick auf die einzelnen Maßnahmen erkennt man, dass die Ankurbelung der Bauwirtschaft in den Verhandlungen wohl deutlich höhere Priorität hatte. Im Folgenden kommentieren ich einige der vorgestellten Maßnahmen.
Sonderabschreibung hilft sozial orientierten Wohnungsunternehmen nicht
Das Bundesbauministerium wirbt beispielsweise mit der Sonderabschreibung für Abnutzung (AfA) in Höhe von jährlich 6%. Diese gilt für die Errichtung von Wohngebäuden ab dem 01.10.2023 und soll einer der großen Hebel zur Stabilisierung der Baubranche sein. Die Maßnahme bringt den kommunalen, genossenschaftlichen und gemeinwohlorientierten Unternehmen im Wohnungsbau nichts.
Abschreibungen mindern den Gewinn der entsprechenden Unternehmen bzw. den Überschuss aus Vermietung bei Privatpersonen und damit deren Steuerbeitrag. Da durch Steuerzahlungen Liquidität abfließt sind Sonderabschreibungen ein Mittel, um den Bauenden mehr Liquidität zu lassen, damit sie (hoffentlich) in weitere Gebäude investieren. Hilfreich ist dies vor allem für Unternehmen, welche hohe Gewinne ausweisen und entsprechend Steuerbeiträge zu entrichten haben, welche dann durch die Abschreibung gemindert werden. Oder sie führen zu steuerlichen Verlusten aus Vermietung, welche dann mit Überschüssen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden können. Sozial orientierte Wohnungsunternehmen haben aber oft keine hohen Gewinne und streben dies auch nicht an. Somit begünstigt dieses Instrument gewinnorientierte Akteure im Wohnungsbau in der vagen Hoffnung auf eine Sozialquote in deren Neubauten.
Dünnes Bekenntnis zum Klimaschutz
Der Energiestandard EH40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in der aktuellen Legislaturperiode wird ausgesetzt. Diese Maßnahme sehen wir zwiegespalten. Es ist positiv, wenn sich die Diskussion um die Umweltwirkungen des Gebäudesektors nicht mehr nur einseitig auf die Energieeffizienz, also die benötigte Heizenergie eines Gebäudes, fokussiert, sondern stärker die Emissionen im gesamten Lebenszyklus betrachtet. Dies bedeutet, dass auch die sogenannte „graue Energie“, also die Energie, die während der Bauphase und des Abrisses eines Gebäudes entsteht, berücksichtigt wird. Nur ein ganzheitlicher Blick auf die immensen CO2-Emmissionen im Bausektor kann Lösungen bringen. Andererseits bleiben die Bekenntnisse der Bundesregierung im Bereich Förderung oder Regulierung von Baustoffen äußerst vage. So heißt es vom Bundesbauministerium: „Sobald bürokratiearm leistbar, wollen wir den Klimaschutz auch bei Materialien und ihrer Produktion verankern, (…)“.
Vorsichtige Schritte in Richtung „Wohnraum schaffen im Bestand“
Spannend klingt die Ankündigung eines neuen Förderprogramms „jung kauft alt“ für den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden in Kombination mit entsprechenden Sanierungsauflagen. Das Programm soll bereits 2024 in Kraft treten. Es richtet sich an „junge Familien“. Wir finden dies eine sinnvolle Maßnahme um ökologisch schädlichen Neubau zu verhindern und die energetische Sanierung im Bestand voranzutreiben. Nur: Was ist mit den vielen, die kein Haus kaufen können? Und wie wäre es mit einer Ausweitung des Programms auf gemeinwohlorientierte Akteure der Wohnungswirtschaft? Die Ankündigung eines Förderprogramms zum Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohnungen geht ebenfalls in die richtige Richtung, wir hoffen, dass sich hier endlich etwas tut.
Neue Wohngemeinnützigkeit – Wann kommt der Durchbruch?
Besonders hilfreich für gemeinwohlorientierte Akteure der Wohnungswirtschaft könnte die geplante „Neue Wohngemeinnützigkeit“ sein. Durch Investitionszuschüsse und Steuervorteile würden gezielt Unternehmen unterstützt, welche nach den Kriterien der Wohngemeinnützigkeit arbeiten. Auch wenn die genauen Vorgaben noch nicht feststehen, dürften viele Genossenschaften und andere Unternehmen mit hohem Sozialwohnungsbestand diese bereits erfüllten. Ein fester Bestandteil der „neuen Wohngemeinnützigkeit“ sollen vergünstigter Wohnraum und eine prozentuale Obergrenze der Gewinnausschüttung sein. Für die nestbau AG wird es entscheidend sein, ob eine gewerbliche Vermietung in gewissem Umfang erlaubt wird. Dies ist wichtig, um lebenswerte Quartiere mit guter Nahversorgung und gemischter Nutzung realisieren zu können. Die Ampel-Koalition ist von einer Einigung zur konkreten Ausgestaltung der Wohngemeinnützigkeit noch weit entfernt und auch die Finanzierung ist noch offen. Es ist also fraglich wie viel Wert die Aussage des Bauministeriums tatsächlich hat, wenn gesagt wird: „Wir wollen bereits im nächsten Jahr die neue Wohngemeinnützigkeit an den Start bringen“.
Anreize für die Bauwirtschaft sind zu wenig, die öffentliche Hand muss selbst aktiv werden!
Insgesamt sind die Ergebnisse des sog. „Wohnungsgipfels“ – trotz manch guter Ansätze – ziemlich enttäuschend. Dies liegt vor allem daran, dass alle Maßnahmen unter der Prämisse „Anreize für private Akteure schaffen“ stehen und nicht für sozial orientierte Wohnungsunternehmen ausgerichtet sind. Die Politik ist über fast alle Parteien hinweg überzeugt, dass bezahlbarer Wohnraum nur dann entsteht kann, wenn Investoren und Bauwirtschaft genügend Anreize in Form von Förderprogrammen und Steuervorteilen bekommen. Dies wird nicht ausreichen. Um mittelfristig genügend bezahlbare Wohnungen zu schaffen, muss die öffentliche Hand wieder stärker selbst als Anbieter von sozialem Wohnraum auftreten, entweder durch eigene Bauprojekte oder den Kauf von Bestandswohnungen. Der Staat könnte so seinem Auftrag einer umfassenden öffentlichen Daseinsvorsorge nachkommen und hätte durch das eigene Angebot perspektivisch auch wieder mehr Einfluss auf die Miethöhe privat vermieteter Wohnungen.
Tipps zum Weiterlesen:
* Maßnahmenpaket des Bundesbauministeriums
* ZEIT-Artikel zum Wohnungsgipfel
* Artikel des Berliner Mietervereins zur geplanen Wohngemeinnützigkeit