Wohnkonzepte der Zukunft: CoWorking und CoLiving - ein wissenschaftlicher Beitrag
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Zukunft der Arbeit – Produktive Stadt – Zukunft des Wohnens
In der Studie #Zukunftsarbeit1 fassten 20 Fraunhofer-Institute 2018 sowohl neue Technologien als auch Lösungsansätze aus der Arbeitswissenschaft und der sozioökonomischen Innovationsforschung in Thesen zusammen. Unter anderem wurde aufgeführt, dass flexible Arbeitsbedingungen neue private und unternehmerische Spielräume schaffen würden. Zukünftige Arbeitsumgebungen fördern, so eine These, Mitgestaltung, Selbstverwirklichung und Wohlbefinden. Wichtig seien auch vernetzte Daten, die neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen würden.
Es ist also in der modernen Wirtschafts- und Arbeitsgesellschaft von einem andauernden Strukturwandel auszugehen, in dem auch die industrielle Arbeit und Produktion fortwährend neuen Herausforderungen ausgesetzt sei. Von diesem Wandel ist im besonderen Maße die Metropolregion Stuttgart betroffen.
Die Zukunftschancen der Region sind dabei gut, da die Agglomeration Stuttgart wesentliche Voraussetzungen für einen Wandel erfüllt. So verfügt die Region Stuttgart über die erforderlichen Potenziale, die sich in einem urbanen Umfeld herausbilden können. Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften nennt fünf Vorteile, die ein direktes Potenzial zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen darstellen: Unternehmen, die in der Stadt produzieren, können die städtische Infrastruktur nutzen. Es gibt zudem einen Clustereffekt durch die räumliche Nähe von Industriebetrieben, IT- bzw. Softwarepartnern, Dienstleistungsunternehmen, Forschungsinstituten, Hochschulen und Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, durch die wiederum weitere Unternehmen entstehen. Unternehmen sind zudem näher am potenziellen Kunden dran, was u.a. eine engere Einbindung der Kunden in Geschäftsprozesse, beispielsweise in Innovation und Entwicklung nach sich zieht. Qualifizierte Fachkräfte sind tendenziell verfügbar. Kurze Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte machen in der Stadt produzierende Unternehmen für diese attraktiv. Der urbane Raum bietet zudem zahlreiche Chancen für neue Kooperationsmodelle. Insbesondere die Möglichkeiten zur „Urbanen Produktion“2 erscheinen einigen Forschungsinstituten als zukunftsentscheidend. Bereits Richard Florida hatte in seinen Studien über die Entwicklungsmöglichkeiten der Städte auf die Bedeutung der Kreativen Klasse verwiesen. Voraussetzung zur Entfaltung sind die drei Ts: Technik, Toleranz, Talent.3 In dieser Branche mit hohem Zukunftspotenzial, der Kreativwirtschaft, arbeiten alleine in Stuttgart rund 5.000 Unternehmen und über 30.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Seit einigen Jahren wird daher der Wandel zur „Produktiven Stadt“ untersucht. Es fand im Spätherbst 2014 in Stuttgart ein Symposium zu diesem Thema statt und es wurden Forschungen durchgeführt, die auch Potentiale des Wandels ausloteten. Grundsätzlich wurde festgestellt, dass eine konsequente Politik der Innenentwicklung nicht ohne gemischt genutzte Quartiere vorstellbar ist. Die Autoren der Studie Stefan Werrer (Labor für urbane Orte und Prozesse) und Frank Gwildis (Landeshauptstadt Stuttgart) wiesen darauf hin, dass eine enge Nachbarschaft von Wohnen und Arbeiten in erheblichem Maß zu bunter Vielfältigkeit und hoher Integrationskraft von Stadtquartieren beitragen kann. Sie stellen die Frage, welche „innovativen Ansätze und Perspektiven für gemischt genutzte Quartiere und hybride Nutzungskonzepte unterstützen die angestrebte Schaffung attraktiver, kompakter Siedlungsmuster mit zukunftsweisenden ressourceneffizienten Strukturen? Welche Optionen und Spielräume ergeben sich aus der zunehmenden Entgrenzung von Arbeiten und Wohnen? Und: welche Konsequenzen hat dies für die Produktive Stadt?“4
IBA Region Stuttgart
„Wir werden die Fragen der Zukunft nur lösen, wenn wir die Stadt größer denken“, so der Intendant Andreas Hofer. Daher wird in der IBA Region Stuttgart 2027 der Fokus auf die gesamte Region gerichtet und insbesondere der Wandel von Wohnen und Arbeiten in der Region thematisiert. Es müssen ganz neue Antworten auf die Frage gefunden werden, wie wir leben, wohnen und arbeiten wollen im digitalen und globalen Zeitalter. In den in den letzten Monaten herausgearbeiteten IBA-Themen sind konkrete Anknüpfungen genannt. So sollen integrative Quartiere angestrebt werden, die auf vielfältige Mischungsstrategien basieren. Vielfalt an Lebensstilen und Kulturen sollen mit „wohnverträgliche Produktionsformen“ in gemischt urbane Gebiete gedacht werden. „Dabei müssen wir bezahlbare (Frei-)Räume anbieten, in denen sich Start-ups und Kreative entfalten können.“ Coworking Spaces sollen selbstverständlicher Bestandteil werden. „Durch die Möglichkeit, Teile der Produktion kleinteiliger und emissionsarm zu machen und eine neue Wertschätzung von Produkten, Kreisläufen und Reparaturen, finden Produktionsstätten wieder Einzug in die Quartiere und Dörfer – und Wohnnutzung in bisher reine Gewerbegebiete.“5
Steingauquartier & nestbau AG
Ein Baustein für die Metamorphose der Arbeitsgesellschaft und für eine nachhaltige soziale Quartiersentwicklung kann in Kirchheim unter Teck im Steingauquartier entstehen. In dem gemischt genutzten Quartier ergibt sich die Chance von hybriden Nutzungskonzepten, in dem in einem Wohnprojekt sowohl neue Arbeits- und Kommunikationsorganisationen Raum finden, die auch mit neuen Formen des Zusammenwohnens experimentieren. In dem urbanen Baustein der bürgerschaftlich / gemeinwohlorientierten nestbau AG kann diese zudem sozial geförderten Wohnraum bereitstellen sowie nichtspekulativen Wohnraum für Menschen mit mittlerem Einkommen.
Die Vernetzung einer urbanen und sozialorientierten Quartiersentwicklung, die vielfältige Lebens- und Arbeitsformen wohnortnah ermöglicht, kann auch ein Projekte im IBA’27-Netz werden, da an einem konkret verorteten Bauprojekt und einer ambitionierten Quartiersentwicklung sich die inhaltlichen Themen der IBA exemplarisch spiegeln.
Quellen:
1 Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Zukunftsarbeit. Zukunftsbilder und Handlungsfelder. München 2018.
2 Stadt der Zukunft – Strategieelemente einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Bearb. v. K. Weinert u.a., acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. 2014.
3 Florida, Richard: The Rise of the Creative Class. Basic Books, New York 2002.
4 Landeshauptstadt Stuttgart – Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung (Hg.): Die produktive Stadt. Konzeption: Stefan Werrer, Labor für urbane Orte und Prozesse/ Frank Gwildis. Stuttgart 2015. Vgl. auch Läpple, Dieter: „Produktion zurück in die Stadt?“, S. 129-150, in: Kronauer, Martin/ Siebel, Walter (Hg.): "POLARISIERTE STÄDTE. Soziale Ungleichheit als Herausforderung für die Stadtpolitik" Campus Wissenschaft, Frankfurt/New York 2013.
5 Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH: Memorandum IBA 2027 StadtRegion Stuttgart. Ergebnisse des IBA-Plattformprozesses. S. 10 f. In: https://www.iba27.de/#themenwelt