Eine Konferenz der Aktivisten
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Die 2-tägige Konferenz am 25. und 26. November 2022 stellt im Titel die Frage „Zeitenwende auch in der Wohnungspolitik?“. Jetzt, da nun eine Wende in der Bundesregierung möglich war, so hofften viele, wäre doch auch eine wohnungspolitische Neuorientierung an der Zeit. In drei Workshops zu den Themen „Bundesweiter Mietendeckel“, „Spannungsfeld Bauen, Wohnen und Klima“ und „Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt“ wollte man sich dem annähern, wie denn so eine Zeitenwende möglich wäre und was sie an Themen lösen sollte.
Doch bereits nach dem Vortrag von Prof. Dr. Sebastian Schipper folgt Ernüchterung. Er spricht über kommunales Bürgerbegehren als Instrument der lokalen Einflussnahme auf die Wohnungspolitik – um dann am Beispiel Mietentscheid in Frankfurt am Main zu zeigen, wie man in Frankfurt politisch dekonstruiert wurde. Der zuletzt erzielte Erfolg ist weit weg von den ursprünglichen Forderungen, aber immerhin lässt sich eine gewissen Einflussnahme der Bürgerschaft feststellen.
Workshop: Schwerpunkt Bauen, Wohnen und Klima
Die Workshop-Phase war eine Reihung von Impulsvorträgen, die unterschiedliche Perspektiven und Aspekte zu Wort kommen ließen. Wo zunächst noch die Frage Neubau versus Sanierungen verhandelt wurde, wurde in Hinblick auf die Klimakrise und der immensen Müll- und CO2-Aufkommen im Bau schnell klar, dass Neubau eigentlich am besten gar nicht mehr betrieben werden darf. Das sich das Wohnungsproblem, das mancherorts auch schon eine Not geworden ist, sich aber nicht durch Sanierungen allein lösen lässt, wurde wenig besprochen.
Eine Debatte hinsichtlich der möglichen Umnutzung gewerblicher Leerstände als Alternative zum Neubau wurde zugunsten der stetig wiederholenden Folien zu den klimagefährdenden Bauauswirkungen und der Dringlichkeit der Sanierung ausgespart. Generell war der erste Tag wenig auf Dialog ausgerichtet – eine verschenkte Gelegenheit sich zu vertiefen und statt der ganzen Probleme auch auf Lösungen zu stoßen.
Viele Ideen und noch mehr Hindernisse
Am zweiten Tag des Workshops gab es dann einen Ausblick auf Erfolge und endlich auch ein bisschen Raum für Diskussion. In Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf ist auf Wunsch der Anwohnerinnen und Anwohner – alle im selbstgenutzten Eigenheim – ein Wärmenetz am Entstehen, das auf Nahwärme setzt, energetische Sanierung anknüpft und zum Schluss deutlich energiesparender ist. Die Organisation German Zero hat sich mit Hilfe zahlreicher Juristinnen und Juristen daran gemacht, gleich Gesetzesänderungen zu formulieren, Wohnung sanierbar zu machen und finanzierbar zu halten. Die Taskforce Klimagerecht enteignen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ setzt auf die Einpreisung der Instandhaltungsverschleppung bei der Ermittlung der Gebäudewerte und schlägt eine Art ökologische Solidarität unter den Mietenden vor.
Generell wird die Forderung nach ordnungsrechtlichen Instrumenten laut, manch einer setzt auf die CO2-Bepreisung für Vermieter, wieder andere wünschen sich eine generelle Sanierungspflicht oder zumindest eine Festlegung seitens der Regierung auf eine angestrebte Sanierungsrate.
Sozialverträglich versus ökologisch – ein künstlicher Konflikt
Sozialverträglichkeit ist DAS Thema, wann immer man über Sanierung der Bestandsgebäude spricht. Häufig werden ökologische Forderungen und sozial-ökonomische Bedenken gegeneinander ausgespielt. Deutliche Mietsteigerungen nach einer Sanierung, die wieder die Ärmsten am heftigsten treffen, sind in der aktuellen Gesetzeslage ein berechtigtes Angst-Szenario. Dürre in ganz Europa und die Flut im Ahrtal leider auch, so dass nicht nur im Neubau viel Umdenken passieren muss, sondern vor allem die Sanierung des energetisch schlechten Bestandes (noch ca. 83 % in Deutschland) angegangen werden muss. Es wird anhand der finanziellen Armut der Mietenden ein Grabenkampf mit Umweltaktivisten heraufbeschworen, den es als solchen gar nicht geben müsste. Denn was in diesem Kontext selten auftaucht: Dieser scheinbare Konflikt ist menschengemacht und damit auch menschenlösbar. So kommt es, dass aus dem Publikum der Vorschlag kommt, ein Sozial- und Klimanotstandsgesetz zu verhandeln, das den Hebel liefern könnte, viele kleine Stolpersteine unkomplizierter aufzuräumen. In Hamburg wird ein solcher Vorschlag in der Linken aktuell diskutiert.
Baustellen auch im Sozialgesetz
Ganz konkret gibt es zwei Stolpersteine aus dem Sozialgesetz, die beim Thema Wohnen besonders ins Auge stechen: Das leidige Thema der Kaltmiete und der angemessenen Fläche für Sozialwohnungen. Die Flächenbestimmung in gemeinschaftlichen Wohnprojekten, die nun mal die flächeneffizienteste Wohnform darstellt, ist immer wieder ein Problem. Cluster-Wohnungen mit sozialer Mietpreisbindung ließen zum Beispiel die Finanzierung der Gemeinschaftsflächen ungedeckt, da es noch keinen Schlüssel für die partielle Anrechnung der gemeinsam genutzten Fläche gibt. Was man natürlich ändern könnte.
Die andere Baustelle ist die Kaltmiete-Warmmieten-Debatte. Eine energetisch ambitionierte Sanierung, die auf die Kaltmiete aufgeschlagen wird, werde sich in der Warmmiete nicht oder kaum bemerkbar machen. Die Annahme gilt, dass die Einsparung in den Energiekosten so hoch ist, dass der Anstieg der Kaltmiete dadurch (fast) kompensiert wird. Leider ist dies selten der Fall, da der Warmwasseranteil in den Heizkosten sich auch nach einer guten Dämmung nicht reduzieren wird und meist deutlich höher liegt, als Verbraucher schätzen würden. Aber selbst wenn es so wäre – für Mietende in Sozialwohnungen sind Erhöhungen der Kaltmiete immer ein Risiko. Im Sozialgesetz werden angemessene Wohnungsgrößen UND angemessene Preise pro Quadratmeter Kaltmiete festgesetzt. Heizkosten werden zwar auch erstattet, aber hier ohne Auflagen bezüglich der Fläche und des Verbrauchs.
Prinzipiell ist das gut, denn Mieterinnen und Mieter haben keinen Einfluss auf den Energie-Standard ihres Wohnhauses. Es ist aber leider auch kein Anreiz, klimafreundlich zu sanieren. Sollte nun aber doch eine Sanierung umfassend gelaufen und der Kaltmiete aufgeschlagen worden sein, muss eine Differenz zwischen angemessenem und neuem Quadratmeter-Preis von der Mieterschaft einer Sozialwohnung getragen werden. Kein Wunder also, dass es seitens der Mieterschaft wenig Aufbegehren für Gebäudesanierungen gibt: „Niemand will sich aus seiner Wohnung rausökologisieren“ (Lisa Vollmer, Taskforce Klimagerecht enteignen der Deutsche Wohnen & Co enteignen). Solange es hier nicht auch Anpassungen im Sozialgesetz geben wird, braucht man weder über alternative Infrarot-Heizungen mit der Wärme-Flatrate nach Prof. Leukefeld nachdenken, noch über eine Teil-Warmmiete.