Zusammenfassung der Netzwerkkonferenz Baukultur
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Am 28.01.2021 fand die Netzwerkkonferenz Baukultur Baden-Württemberg statt und bildete die Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr “50 Jahre Städtebauförderung“. Es war ein inhaltlich voller Tag, der mit der Vorstellung vieler laufender Projekte vor allem Mut machte, sich städtebaulichen Herausforderungen zu stellen. Und auch Mut machte, im Sinne der Baukultur die Qualität und die Gestaltung nicht hinter der Funktion zurückweichen zu lassen.
Nach einigen Grußworten gab Anne Katrin Bohle, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat, eine einleitende Stellungnahme. Sie reflektierte die Aktualisierung der Leipzig Charta mit den europäischen Partnern im November 2020. Für uns besonders bedeutend war das eindringliche Statement, mit dem Frau Bohle das Gemeinwohl als ihr persönliches Anliegen in diesem Prozess herausstellte.
Die anschließende Gesprächsrunde befasste sich inhaltlich mit verschiedenen Aspekten der Leipzig Charta. Aus der Perspektive der nestbau AG sei vor allem der Aspekt der Klein- und Mittelstädte und der Entwicklung im Innenstadtbereich herausgegriffen. Stark auf Einzelhandel ausgerichtet, sind nun – spätestens mit bzw. nach „Corona“ – Leerstand und Verwaisung der Innenstädte zu befürchten. Wie kann es gelingen, dass Innenstädte wieder Wohn-, Arbeits- und Lebensraum werden? Frauke Burgdorff, Stadtbaurätin in Aachen und Vertreterin des Netzwerk Immovielien, verlangte eine Ausrichtung auf Langfristigkeit – einmal als Kontinuität in der Stadtentwicklung wie auch in den Planungsgedanken selbst. Wie schon in ihrem Thesenpapier zu Anhörung des Bauausschusses im Bundestag forderte sie eine Konzentration auf Mischnutzungen und Nutzungstransformation als spätere Option – die bei z.B. Parkhäusern und Shopping Centern aus den 90iger und 2000er Jahren noch nicht mitgedacht ist. Hier stimmen wir mit Frau Burgdorff absolut überein, denn unsere Wohnungskonzeptionen nehmen eine möglicher Weise abweichende Zweitnutzung direkt vorweg und sind im Innenbereich so flexibel wie möglich gehalten. Die Senioren-WG, die heute auf Grund des demographischen Wandels dringend benötigt wird, kann in 20 Jahren vielleicht zur Kindertageseinrichtung oder anderen, noch nicht absehbaren Nutzungen angepasst werden. Das setzt allerdings voraus, dass Gebäude nicht in Wohnungseigentum aufgeteilt sind, sondern sich in gemeinschaftlichem Eigentum (am besten einer gemeinwohl-orientierten Organisation) befinden. Was wir im einzelnen Haus als Nachhaltigkeitsanspruch haben, ist für das gesamte Quartier genauso wichtig. Darüber hinaus bieten wir eine Plattform für Frau Burgdorffs Einwand, dass man auch mutig genug sein müsse, die „Bürger für ihre Stadt in die Investition zu bringen.“ Genau hier setzen wir mit unserer Idee der Bürger-AG an und bündeln bestehende Ressourcen, um diverse, dem Quartier zugewandte Lebensräume zu schaffen.
Die in den Themenforen vorgestellten Projekte sind in der Begleitbroschüre gut dokumentiert – wir freuen uns, dass das Steingauquartier in Kirchheim unter Teck ebenfalls Erwähnung fand. Wir sind hier mit unserem bisher größten Haus dabei.
Aus der abschließenden Diskussion sei herausgegriffen, dass die Leipzig Charta vor allem in Deutschland öfter noch in der Kritik steht, viele Plattitüden zu umfassen, die als Handlungsrahmen viel zu unkonkret seien. Dem wurde entgegnet, dass es auf internationaler Ebene immer nur um einen Rahmen gehen kann, der weit genug ist, um alle zu fassen. Gerade das Kriterium der Ortsbezogenheit ist wichtiger denn je, da allein das Stadt-Land-Gefälle innerhalb eines einzigen Landes schon sehr unterschiedliche planerische Ansprüche stellt. Die einzig sinnvolle Lösung ist hier eine Aneignung in jeweiligen, konkreten Raum und das Herunterbrechen der großen Leitsätze der grünen, gerechten und produktiven Stadt auf den tatsächlichen Raum. Das wird um so besser gelingen, je mehr die Bürgerschaft informiert und integriert wird.
Fazit
Die Städtebauförderung ist so hoch dotiert wie noch nie in ihrer Geschichte und dient als Instrument, die Hausaufgaben und Ansprüche der Leipzig Charta noch besser umzusetzen. Wir als nestbau AG fühlen uns in unserem Wirken von Beginn an den Zielen der Leipzig Charta verpflichtet. Wir werden weiterhin diverse, leistbare und quartiersbezogene Mietshäuser errichten und der Bürger-Beteiligung in Eigenregie mittels Projektierung zur Seite stehen. Wir freuen uns sehr, dass Gemeinwohl und Nachhaltigkeit jetzt mehr denn im Fokus der Politik und Stadtplaner stehen und mit der aktualisierten Leipzig Charta einen verbindlichen, zeitgemäßen Ausdruck bekommen haben.